Pfingsten: “Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20, 22)

„Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20, 22)

Pfingsten 2011

 

In den letzten Jahren bin ich durch die Kontinente gereist und habe in verschiedenen Kultu­ren ge­lebt. Dadurch ist die Frage, „Wo kommen Sie her?“, für mich zu einer schwer zu beantwor­tenden geworden. So ähnlich geht es sicher vielen Menschen durch die Möglichkeiten, die die heuti­ge Welt bietet. Ich bin Gott für diese transkulturellen Erfahrungen dankbar, und ich fühle mich als ein Weltbürger. Dass dies alles für mich möglich wurde und dass ich mit wenig Aufwand und auf er­freuliche Weise diese Erfahrungen machen konnte, hat damit zu tun, dass ich Christ bin und dass ich katholisch bin! Katholisch bedeutet für mich Universalität.

Heute feiern wir den Geburtstag der Kirche – den Geburtstag der universalen Kirche. Wir feiern die Gegenwart des Geistes in der heutigen Gemeinschaft der Glaubenden, genau wie er in der Ge­meinschaft der Gläubigen in Jerusalem gegenwärtig war. In einigen Ländern wird dieses Fest als Fest der Laien gefeiert. Es ist das Fest jedes Gläubigen. Die Schriftlesungen dieses Tages han­deln von der Einheit der Kirche.

In meiner heutigen Reflexion möchte ich auf drei mögliche Bedeutungen dieses Festes hinweisen und dabei darauf eingehen, was der Geist – der Heilige Geist – und seine Gegenwart für uns heute bedeuten kann.

Der Heilige Geist ist der Geist des Auferstandenen Herrn

Der Evangelist Lukas beschreibt die Auferstehung (Ostern) und die Herabkunft des Heiligen Gei­s­tes (Pfingsten) als zwei besondere Geschehnisse, nicht unbedingt als zwei von ein­an­der getrenn­te Ereignisse. Da die Auferstehung des Herrn mit dem jüdischen Pascha-Fest zusammenfällt, hält es Lukas für sinnvoll, das Kommen des Heiligen Geistes mit dem jüdischen Fest der Fünfzig Tage zu­sammenfallen zu lassen, einem Erntefest, das fünfzig Tage nach dem Pa­scha-Fest gefeiert wur­de. Diese Lukanische Tradition hat unsere Vorstellung von Pfingsten ge­prägt. Dadurch wurde Pfings­ten für uns zu ei­nem separaten Fest, mit der Feier der Herab­kunft des Heiligen Geistes in ei­nem besonderen drama­tischen Geschehen. Vergessen haben wir, dass keines der anderen Evan­gelien diese Erzählung kennt. Im Johannes-Evange­lium, wie wir es heute vorgelesen bekom­men (Joh 20, 19-23), findet die Übermittlung des Heiligen Geistes am Tag der Auferstehung statt. Wir lesen: „Am Abend des selben Tages, am ersten Tag der Woche… kam Jesus zu ihnen und stand in ihrer Mit­te… Er sagte zu ihnen: ‘Friede sei mit euch…’. Nachdem er dies gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte: ‘Empfangt den Heiligen Geist’“

Der Heilige Geist kann aus diesem Grunde nicht vom Auferstandenen Herrn getrennt werden. Pfingsten kann nicht von Ostern getrennt werden! Der Heilige Geist kann aufgefasst werden als die fortdauernde Gegenwart des Auferstandenen Herrn unter uns. Nach seiner Auferstehung kann Jesus nicht in der Weise unter uns sein, wie er es in den 33 Jahren seiner Menschwerdung als Je­sus von Nazareth war. Aber Er lebt, und der Heilige Geist vollendet sein Werk.

Einheit in Verschiedenheit

Eine Wirkung des Heiligen Geistes ist, dass er Menschen zusammen bringt. In den Abschiedsre­den Jesu während des letzten Abendmahles betet er: „Vater, lasse alle eins sein“ (Joh 17, 21-22). Die Gegenwart des Heiligen Geistes und unsere Mitarbeit bewirken, dass sich dieses Gebet Jesu heutzutage in unserer Gemeinschaft der Gläubigen erfüllt.

In der heutigen ersten Lesung erfahren wir, dass das erste Zeichen der Herabkunft des Heiligen Geistes darin bestand, dass die Christliche Botschaft, das Evangelium – die Gute Nachricht – in vielen verschiedenen Sprachen verkündet wurde. Die gleiche Botschaft in verschiedenen Spra­chen! Menschen unterschiedlicher Herkunft – Parther, Meder, Elamiter, Menschen aus Mesopota­mien, aus Judäa… hörten die Botschaft in ihrer Muttersprache. Die eine Erfahrung des Auferstan­denen Herrn vereinte alle miteinander. Das ist das Wunder des Heiligen Geistes!

Einheit aber heißt nicht Gleichförmigkeit. Katholisch-Sein muss nicht bedeuten, Römisch-Katho­lisch zu sein und muss nicht bedeuten, auf Lateinisch zu beten. Im Gegenteil! Wir sollten aus der Geschichte lernen. Die übermäßige Betonung der Rolle Roms war ein Grund, der die Reformation in Europa herbeiführte! Aber wie kann sich Einheit in Verschiedenheit zeigen? Wie können wir unsere Unterschiede als schätzenswert erleben?

Die Kirche in Korinth sah sich kaum 25 Jahre nach dem ersten Pfingstfest ähnlichen Fragen ge­genüber. Korinth war eine Hafenstadt, eine wirkliche Weltstadt. Und die Kirche dort hatte ihre Schwierigkeiten und Differenzen. Das war der Anlass für Paulus, ihnen zu schreiben – wir hören in der heutigen zweiten Lesung (1Kor 12, 3-6): „Keiner kann sagen, ‘Jesus ist der Herr’, wenn er nicht vom Heiligen Geist erfüllt ist. Es gibt viele Gaben, aber es ist immer der gleiche Geist; es gibt viele Dienste, aber es ist immer der gleiche Herr. Es gibt viele Arten, sich nützlich zu machen, aber in al­len ist der selbe Gott am Werk.“

Natürlich spricht Paulus auch von einer Rangfolge und einer Unterscheidung der Geistesgaben (1Kor 12, 27-31). Später dann in Kapitel 13 spricht er von der Liebe als der höchsten und besten Gabe des Heiligen Geistes. Dass uns diese Gabe gegeben werde, soll heute unser Gebet für uns selbst sein!

Verschiedene Weisen der Herabkunft des Heiligen Geistes

In einigen Teilen der Welt ist es für die Kirche schwierig, vom Heiligen Geist zu sprechen. Wie zeigt sich der Heilige Geist? Es wäre einfach, aber irreführend, den Heiligen Geist mit Wundern zu identifizieren: Besserung von Krankheit, Heilung. Wir haben gelernt, dass sich der Heilige Geist auf  machtvolle Weise zeigen kann – das ist, was Lukas in den Bildern ‘Feuerzungen’, ‘Sturmwind vom Himmel’, ‘starkes Brausen’ in der Apostelgeschichte 2, 1 ausdrückt. Und daneben gibt es das An­dere. Neulich las ich in der Apostelgeschichte und war fasziniert von dem, auf das ich im Kapitel 8, 5-17 stieß. Der Apostel Philippus predigt den Samaritern, und seine Predigt wird durch eindrucks­volle Zeichen begleitet. „Unreine Geister verließen schreiend die Menschen, die besessen waren; Gelähmte und Krüppel wurden geheilt. Ein großer Jubel brach daraufhin in der Stadt aus“ (Apg 8, 6-7). Vom Heiligen Geist aber spricht der Text erst später (Apg 8, 14-17): „Als die Apostel hörten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen hatte, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen. Sie gingen zu ihnen und beteten für sie, damit sie den Heiligen Geist empfingen; denn bis jetzt war er noch auf keinen von ihnen gekommen: Sie waren nur auf den Namen des Herrn Jesus getauft. So legten sie ihnen die Hände auf, und sie empfingen den Heiligen Geist.“

Was mich an diesem Text überrascht, ist, dass sich das Ereignen von Zeichen ohne die Gegen­wart des Heiligen Geistes ereignen kann. Das führt uns zurück zu dem, was im heutigen Evangeli­um beschrieben wird. Der Heilige Geist kann auch als sanftes Anatmen erscheinen (Joh 20, 22). Beide Weisen gibt es. So sagt Jesus zu Nikodemus (Joh 3, 8), „Der Wind weht, wo er will.“ Heute kann der Geist anwesend sein in einem Priesters, der machtvoll predigen kann, der sich durch be­sonderes Wissen auszeichnet, der vielleicht die Gabe der Heilung besitzt. Ebenso kann der glei­che Geist in einem alten Priester gegenwärtig sein, der mit versagender Stimme am Altar betet: „Herr, sende uns deinen Geist.“ Das Wichtigste ist: Jesus ist auferstanden. Er lebt. Und wenn wir dieses in der Tiefe unserer selbst erkennen, dann ist der Heilige Geist in uns am Werk.

Heute, an diesem wichtigen Tag, wollen wir uns dem Heiligen Geist öffnen, ihm erlauben, in uns tätig zu werden. Tätig zu werden in Seiner Weise! Dass wir alle eins seien! Die Feier der Eucharis­tie helfe jedem von uns, die Erfahrung des Auferstandenen Herrn in seinem Heiligen Geist zu ma­chen.

Sahaya G. Selvam, SDB, Nairo­bi, 12. Juni 2011

Übersetzung Alfons Nowak

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