20. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B

20. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr B

Nahrung für die Seele:

Jeder, der von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit“ (Joh 6, 58)

Spr 9, 1-6; Eph 5, 15-20; Joh 6, 51-58 

Wenn man durch die Fußgängerzonen unserer Städte geht, sieht man, wie sehr unsere Gegenwartskultur von der Beschäftigung mit dem menschlichen Körper geprägt ist. Sogar die Bereiche, die sich mit unseren grundlegenden Bedürfnissen beschäftigen, wie Nah­rung, Kleidung und Medizin, haben sich verändert. Lebensmittelgeschäfte machen Platz für Restaurants, Schneider werden durch Modedesigner ersetzt, und medizinische Fach­geschäfte nehmen Schönheitsmittel in ihr Sortiment auf. Für mich ist der wachsende Markt der Körperpflegemittel und der Kosmetika ein erstaunliches Phänomen. Für den Bereich der Zehen bis zu den Haarspitzen geben wir einen großen Teil unserer Ressourcen aus. Die Pflege von Haut, Haaren und Nägeln ist kein bloßer Luxus der Reichen mehr. Die großen Markennamen finden sich in nahezu jedem Haushalt. Vor einigen Jahren musste ich noch ins Wörterbuch gucken, um zu wissen, was ‘Maniküre’ und ‘Pediküre’ ist. Jetzt sehe ich neue Dinge, für die geworben wird: Aufhellen von Zähnen, Bräunen der Haut, Be­handlung von Alterungserscheinungen… Tiefer ins Detail will ich nicht gehen, ich will hier niemanden angreifen und möchte auch meine Unkenntnisse nicht weiter ausbreiten. Man bekommt jedenfalls den Eindruck, dass unsere heutige Gesellschaft sehr auf das Körperli­che fixiert ist. Das Ziel des menschlichen Lebens scheint darin zu bestehen, möglichst viel Wohlstand, Erfolg und Anerkennung anzuhäufen. Das menschliche Leben ist rein auf das Diesseits ausgerichtet. Die menschliche Person wird mit dem Körper gleich gesetzt.

Mir ist es kein Anliegen, eine einseitig spirituelle Lebensweise zu propagie­ren. Als Katholik und als Salesianer glaube ich erst einmal an den Grundsatz mens sana in corpore sano – gesunder Geist in gesundem Körper und in Fortführung davon, gesunde Seele in gesun­dem Körper. Ich laufe regelmäßig, ich versuche, mich gesund zu ernähren, ich gön­ne mir sieben bis acht Stunden Schlaf, und ich benutze auch Haarpflegemittel und Haut­cremes. Aber ich frage mich: Wo ich so viele meiner Ressourcen – Geld und Zeit – dazu gebrau­che, um meinen Körper zu pflegen – und das Gleiche tue ich für meinen Geist in Form von Le­sen und Studieren und ebenso für meine Psyche durch soziale Kontakte, durch Kom­munikation mit anderen Menschen – bin ich denn auch bereit, einen ähnlichen Anteil an Res­sourcen für meine Seele zu verwenden? Wie oft kümmere ich mich bewusst um mei­ne Seele? Plane ich für meine Seele Zeit und Geld ein? Gibt es ein Budget für sie, für den ein­zelnen Tag, für die Woche oder den Monat?

An fünf Sonntagen hören wir zur Zeit Texte aus dem 6. Kapitel des Johannes-Evan­geli­ums. In seinen Reden, die nach der Speisung der Fünftausend folgen, lädt Jesus die Men­schen, die sich nach Herzenslust mit Brot satt essen konnten, ein, sich auf die Begeg­nung mit dem Brot des Lebens einzulassen. Jesus lädt sie – wie auch uns heute – ein, über die Erfüllung der physischen Bedürfnisse hinaus, sich dankbar auf die Möglichkeiten einzu­las­sen, die Jesus uns bietet, den Hunger unserer Seelen zu stillen.

Nahrung für die Seele: „Mit Heiligem Geist erfüllt werden“ (Eph 5, 18b)

Die heutige erste Lesung ist dem Buch der Sprichwörter entnommen. Sie sagt, dass Nah­rung der Seele Umarmen der Weisheit bedeutet. Die Lesung führt weiter aus. „Die Weis­heit ist auf sieben Säulen gegründet und hat die wilden Tiere geschlachtet“ (Spr 9, 1-2). Im vorangegangen Kapitel gibt es zwei Verse, die die sieben Säulen der Weisheit aufzulisten scheinen: „Ich, die Weisheit, bin vertraut mit der Klugheit und weiß umsichtig zu überle­gen. Gottesfurcht heißt, das Böse zu hassen. Ich hasse Überheb­lichkeit und Hochmut*, unrechtes Tun und lügnerisches Reden. Sorgsames Planen und kluge Einsicht gehören zu mir und auch die Macht.“ (Spr 8, 12-14). In Anlehnung an diese Säulen und basierend auf den Worten des Hl. Paulus aus dem 1. Korintherbrief (1 Kor 12, 8-10) listet der Katechis­mus der Katholischen Kirche sieben Gaben des Heiligen Geistes auf: Weisheit, Einsicht, Gabe des Rates, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottes­furcht. Die enge Beziehung zwischen der Weisheit des Alten Testaments und dem Heili­gen Geist ist offensichtlich.

Interessanterweise gibt uns Paulus in der zweiten Lesung einige Hinweise für unser spiri­tuelles Leben: „Dieses mag ein böse Zeit sein, aber macht durch euer Leben das Beste dar­aus“. Schließlich lädt er uns ein, „uns vom Heiligen Geist erfüllen zu lassen“ (Eph 5, 18b). Können wir aus all dem nicht den Schluss ziehen, dass die Seele mit Nahrung zu versorgen den Sinn hat, offen zu sein für die Gaben des Heiligen Geistes?

Wie ernährt man die Seele: Immer und überall Gott danken (Eph 5, 20)

In praktischer Hinsicht bedeutet, die Seele nähren und mit Heiligem Geist erfüllt zu wer­den, sich im Gebet auf Gott auszurichten. So lädt uns auch Paulus in der heutigen zweiten Le­sung zum Gebet ein: „Singt und preist Gott in euren Herzen, dankt ihm, der euer Vater ist, immer und überall im Namen unseres Herrn, Jesus Christus“ (Eph 5, 19-20). In der Fas­tenzeit habe ich in meinen Predigten einige Weisen des Betens vorgestellt. Vielleicht kön­nen sie uns helfen, uns immer wieder auf Gott auszurichten. Ich liste einige dieser Weisen auf:

Das Jesus-Gebet: Diese alte Weise des Betens besteht einfach darin, diesen oder einen ähnlichen Satz ständig zu wiederholen, „Jesus, Sohn des lebendigen Gottes, erbar­me dich meiner“. Das Gebet wird zu einem Teil von uns, wenn wir es wieder und wieder spre­chen, und so wird es zu einer Nahrungsquelle für unsere Seelen.

Die Selbstbesinnung: Diese Methode stammt aus der Ignatianischen Tradition. Sie besteht darin, sich jeden Tag eine Zeit freizuhalten und die letzten 24 Stunden mit Gefüh­len der Dankbarkeit, der Vergebungsbereitschaft und der Hoffnung an sich vorbeiziehen zu lassen. Wo war Gott in den vergangenen Stunden? Wo gab es Widerstände in mir ge­gen das, was Gott in mir in Bewegung brachte? Wozu lädt Gott mich hier und jetzt ein?

Beten mit Texten der Bibel: Es gibt viele Weisen, mit Texten der Bibel zu beten. Aus Neugierde oder aus Interesse, die Bibel zu lesen, bedeutet noch nicht zu beten, aber es kann eine gute Vorbereitung dafür sein. Das andächtige Wiederholen von Sätzen der Bibel kann eine einfache aber auch kraftvolle Weise sein, unseren Seelen Nahrung zukommen zu lassen.

Zum Schluss, im Zusammenhang mit dem heutigen Evangelium, sollten wir uns aber be­wusst machen, dass es keine bessere Nahrung für die Seele gibt als die Eucharistie. Und das ist kein Gegensatz zu der Einladung der ersten Lesung, die uns das Brot und den Wein der Weisheit anbietet oder zu dem Rat von Paulus, „uns mit Heiligem Geist erfüllen zu lassen“. Denn es ist der gleiche Heilige Geist, der uns zur Teilnahme am Tisch des Herrn einlädt. „Kommt und esst mein Brot, trinkt den Wein, den ich für euch bereitet habe! Lasst eure Torheit, und ihr werdet leben und auf dem Weg der Einsicht gehen (Spr 9, 5-6).

Die Nahrung der Seele: „Das lebendige Brot“ (Joh 6, 21)

Ich glaube fest daran, dass mir die Eucharistie die beste Nahrung für meine Seele ist. Wenn ich die Eucharistie empfange, wird Gott in Christus ein Teil von mir, und ich werde ein Teil von Ihm. Ein heiliger Austausch findet statt. Mir wird bewusst, dass ich ein Bild Gottes bin (Gen 1, 27). Der Durst meiner Seele, der das Hier und Jetzt überschreiten will, findet Befriedigung. Ich kommuniziere mit Gott.

Und doch bleibt die Herausforderung: Ich neige dazu, die Feier der Eucharistie und den Empfang der Eucharistie zur Routine werden zu lassen. Ich werde ein Opfer der Gewöh­nung. Meine spirituellen Sinne werden empfindungslos für das Wirken des Heiligen Geis­tes in mir.

Das Wort Gottes heute rüttelt mich auf und weckt in mir den Wunsch, der Einladung des Geistes zu folgen und den Leib und das Blut Jesu bewusst zu empfangen. Wenn ich mit den Worten ‘Der Leib Christi’ die Kommunion gereicht bekommen und wenn ich mit ‘Amen’ antworte, soll das eine Erneuerung meines Glaubens an die Gegenwart Christi in diesem Brot sein. Möge die Eucharistie eine Speise für meine Seele werden, und möge das Ver­sprechen Jesu Wirklichkeit für mich werden: „Jeder, der von diesem Brot isst, wird leben in Ewigkeit“ (Joh 6, 58).

Sahaya G. Selvam, sdb

Übersetzung Alfons Nowak

 

*Überheblichkeit und Hochmut scheinen die beiden wilden Tiere zu sein, die die Weisheit ge­schlach­tet hat (Spr 9, 2). Interessant auch Spr 6, 16-19; dieser Text spricht über die sieben schlimmsten Vergehen gegen den Herrn.