Glaube an Gott und genieße dein Leben
„Wahrscheinlich gibt es Gott nicht. Also hört auf, euch Sorgen zu machen. Genießt euer Leben.“ Durch England fahren ungefähr 800 Busse, die diesen Slogan tragen. Die Kampagne ist ein Teil einer Bewegung gegen Religion. 140.000 Pfund hat man für diese Kampagne sammeln können.
Der Slogan ist Ausdruck eines übertriebenen Humanismus, der glaubt, der einzige Weg, die Menschheit zu befreien, ist der, Gott zu töten. Mein Glaube sagt mir, ich muss mich nicht beeilen, Gott zu beschützen, er ist kein gefährdetes Wesen,. Es gibt andere, die glauben, dass Gott beschützt werden muss. Sie rechtfertigen sogar das Töten von Menschen im Namen Gottes. Diese verabscheuungswürdigen Anschläge, von Fundamentalisten verübt, bewirken das Gegenteil. Sie mobilisieren Bewegungen gegen Religion überhaupt, die ähnlich fanatisch werden können, wie es die Slogans in den Bussen zeigen. Tatsächlich hat die Spendensammlung für diese Kampagne als direkte Reaktion darauf begonnen, dass Christen Anzeigen in Bussen anbringen ließen, die verkündeten: Nicht-Christen werden für alle Ewigkeit in der Hölle brennen.
Aus der Geschichte wissen wir, dass nahezu alle im Namen Gottes begangene Gewalt, einschließlich der Kreuzzüge, des Jihads oder auch die religiöse Gewalt in Indien im Namen der Hindutva, im wesentlichen politisch motiviert ist. Die Religion lässt sich erst benutzen und dann noch zum Sündenbock machen, der sich, ohne aufzubegehren, aufladen lässt, was eine abscheuliche Leugnung der grundlegenden Botschaft jeder Religion ist – Friede!
Abgesehen davon geht es hier um einen Krieg von Worten, von Ideologien. So nutze ich meine Freiheit, mich zu Wort melden zu dürfen und möchte darüber nachdenken, was ich als latente Botschaft in diesem Slogan wahrnehme.
„Wahrscheinlich gibt es Gott nicht.“ Der Form nach ist dies eine Aussage, wie sie im Wetterbericht üblich ist: „Einige Stellen in den Highlands werden in den nächsten 24 Stunden vermutlich die Bekanntschaft mit Regenschauern machen können.“ Während die Wettervorhersagen sich von ihrer traditionellen Ausdrucksweise verabschieden, übernehmen wir in unserem Reden über Glauben diese Sprache. Das ist in sich noch nicht schlecht. Die Atheisten sind aufrichtig. Sie denken über die Realität von Gott lediglich nach: „Wahrscheinlich gibt es Gott nicht!“ Es ist wahr, wir können nicht wie ein Physiker, der im Labor ‘beweist’, dass Wasser aus Wasserstoff und Sauerstoff besteht, die Existenz Gottes beweisen oder nicht beweisen. Aus diesem Grund wird auch dieser Teil des Statements Gläubige nicht sonderlich erschrecken. Worüber sie aber nachdenken sollten, ist der zweite Teil des Slogans.
„Also hört auf, euch Sorgen zu machen. Genießt euer Leben.“ Ich als treuer Glaubender denke nicht, dass mein Glaube zwischen mir und meiner Freude am Leben steht. Wenn ihr bisheriger Glaube oder ihre Auffassung über den Glauben anderer in ihnen den falschen Eindruck erweckt hat, nämlich dass der Glaube an Gott dazu beiträgt, sich in Sorgen zu verlieren und dass er einem die Fähigkeit raubt, sich am Leben zu erfreuen, dann sind wir hier an einem Punkt, der diskutiert werden muss. „Sorgt euch nicht“ ist die grundlegende Botschaft der Weltreligionen. Das Herzstück der Vier Grund-Wahrheiten Buddhas ist, menschliches Leid zu lindern. Nach dem Buddhismus ist das Ziel des menschlichen Lebens, sich aus dem Kreislauf der Gebundenheit an das Sein zu befreien und in die Freude des Nirwana einzugehen. Die Bhagavad-Gita empfiehlt die Erlangung des inneren Zustandes des nish-kama-kama. Man könnte es übersetzen mit Freisein von der Bindung an die Folgen des eigenen Tuns, Erlangen eines inneren Zustandes von Gleichmut. Jesus sagt, „Macht euch keine Sorgen um den morgigen Tag: Der morgige Tag wird für sich selber sorgen (Mt 6,34). Die Semitischen Religionen, Judentum und Islam, fassen ihre Auffassung vom Freisein von Sorge in den Ausdruck ‘Shalom’ oder ‘Salaam’. Dies hier ist in keiner Weise eine ausführliche Diskussion zu diesem Thema. Aber festzuhalten bleibt, im Herzen jeder echten Religion ist der Wunsch nach einem authentischen Zustand von Glück verankert.
Es scheint allerdings so zu sein, dass einige Neurotiker das, was in den Weltreligionen im Sinne von Mäßigung und Ausgleich empfohlen wird, in ihre eigenen Hände nehmen und so verändern, dass es in ihren Anhängern Radikalität und Irresein erzeugt. In dieser Hinsicht tut der Atheismus den Religionen, auch mit diesem Slogan, einen großen Dienst: Er säubert die Welt von Auswüchsen schlechter Religion.
Wenn auf der anderen Seite mein Glaube bei mir Disziplin bewirkt, bedeutet das nicht, dass ich das Leben nicht genieße. Diesen wohl-meinenden Philosophen möchte ich gerne versichern, dass meine Lebensfreude tiefer geht, als Wohlstand im Übermaß anzuhäufen oder Alkohol zu trinken oder Schweinefleisch zu essen oder unkontrolliert Sex zu haben. Das disziplinierte Leben, zu dem ich auf Grund meiner religiösen Ausrichtung in der Lage bin, verhilft mir zu einer gewaltigen Freiheit. Es befreit mich aus den Fängen der hedonistischen Kultur. Es hilft, dass ich gesund lebe, dass ich eine innere Gelassenheit bewahre und dass ich meinen Beitrag für die Belange dieser Welt leiste.
In der verborgenen epikureischen Ideologie dieses Slogans sehe ich aber doch eine Gefahr. Man kann nicht über die kulturellen Anklänge dieser Kampagne hinwegsehen. Sie ist Ausdruck der gegenwärtigen kulturellen Vormachtstellung des Westens. Sie stellt die Hybris der positivistischen Wissenschaft zur Schau. Sie vertritt die kapitalistische Konsumphilosophie. Wieso sehen die gut informierten Menschen im Westen nicht die Zerstörung, die diese Philosophie des ‘Genieße dein Leben’ bewirkt – die Umweltkrise als ein Beispiel? Mehr zu kaufen, ist der Weg aus dem Bankenzusammenbruch, sagen sie! Wir produzieren, um zu konsumieren; wir konsumieren, um zu produzieren! Was wird aus einem Hund, der seinem eigenen Schwanz hinterher jagt? Warum sehen wir nicht den Teufelskreis, in den die westliche Weltordnung uns alle gebracht hat?
Was mich betrifft, so wird mein Glaube an Gott durch diesen Slogan nicht bedroht. Mein Glaube gründet sich auf meine eigene Erfahrung eines persönlichen Gottes, vermittelt durch meine Glaubensgemeinschaft. Und mein Gott macht mich frei! Ich sorge mich nicht. Ich genieße mein Leben. Ich bin glücklich.
Übersetzung Alfons Nowak, März 2009