AIDS hat ein Gesicht

AIDS hat ein Gesicht

Sie betritt den Saal.

Sie ist jung, schön und flott.

Sie setzt sich und beginnt unvermittelt zu weinen.

Das Auditorium?

Priester, Ordensleute und Jugendarbeiter.

Es ist ein Seminar für Jugendarbeiter über HIV / AIDS.

Eine der Frauen aus dem Auditorium geht zu ihr und setzt sich neben sie.

Frauen wissen am besten, was Frauen brauchen – Unterstützung, Nähe, da sein.

Sie hört jetzt auf zu weinen.

Sie öffnet den Mund und die Worte brechen aus ihr heraus.

Unglaublich!

„Ich bin HIV – positiv.“

Das schockt, doch sie weiß, es ist die Wahrheit.

Die jungen Männer unter uns fühlen sich zu ihr hingezogen.

Nicht aus Liebe, aus Mitleid.

Sie weint wieder.

Dann fährt sie fort,

„Mein Freund hat mich angesteckt

als wir zusammen auf der High School waren.“

Jedes Jahr am ersten Dezember

Sind unsere Zeitungen voll mit Zahlen:[1]

Fast 40 Millionen leben mit HIV,

über 25 Millionen im Afrika südlich der Sahara,

seit 1981 sind 20 Millionen an AIDS gestorben.

Jedes Jahr infizieren sich weitere 5 Millionen

Und in Afrika leben 12 Millionen AIDS – Waisenkinder.

Ich sträube mich dagegen, Herr,

darin nur nackte Zahlen zu sehen.

Vielleicht ist das so für die Hunderte von NGO’ s – Nichtstaatliche Organisationen.

Aber es sind doch Menschen,

mit menschlichen Gesichtern.

Sie sind keine Sünder.

Es sind Menschen, die meinen Zuspruch und meine Hilfe brauchen.

Sie sterben nicht an AIDS, HERR.

Sie leben mit HIV.

Warum ist HIV / AIDS mit soviel Stigmatisierung und Schande behaftet?

Ist es, weil wir dadurch an Sex und Tod erinnert werden –

Zwei überwältigende Mysterien menschlichen Lebens?

HERR, vergib die Sünden der Regierungen und der NGO’ s –

Den Leuten dort

die Millionen für Seminare in „Internationalen“ Hotels ausgeben

nur um über diese Zahlen zu sprechen.

Reden mag notwendig sein, aber wir haben schon zu viel geredet.

HERR rette die Welt von diesen Egoisten!

HERR vergib die Sünden jener herzlosen Multimilliardäre,

welche die medikamentöse Behandlung monopolisieren,

Leute, die Geld machen

auf dem Rücken leidender Menschen.

Wenn nur das Geld für Landminen und Kampfflugzeuge

Für die HIV – Forschung aufgewendet würde,

würden wir AIDS besser verstehen.

HERR rette die Welt von diesen Masochisten!

HERR,

vergib die Sünden jener Wohlstandsbürger,

die wohlfeile Lösungen parat haben

für die des Schreibens und Lesens Unkundigen der „Dritten Welt“.

Denn wir sterben an AIDS,

während sie es schaffen mit HIV zu leben.

Sie sagen: „Benutzt Kondome!“

Sie glauben nicht an das Gute im Menschen,

sie glauben nicht an die menschliche Freiheit.

Ich glaube,

wir Menschen können uns für Abstinenz entscheiden,

wir können uns für eheliche Treue entscheiden.

Herr verschone die Welt vor diesen Einfältigen!

Herr,

vergib die Sünden jener flammenden Prediger,

welche ernsthaft die Sünder der Welt bekehren wollen.

Nur um Deiner willen, musst Du wissen!

Sie sagen,

Du seiest der menschlichen Schwäche überdrüssig

und das sei unsere Strafe.

Ist das wahr, HERR?

Ich glaube,

dass Du Dich nicht an menschlichem Leid erfreust.

Das ist nur die Projektion unseres eigenen Schuldgefühls.

HERR bewahre die Welt vor solchen Gotteslästerern!

Herr,

ich glaube, Du hast immer noch die Zügel in der Hand.

Du bist Herr der Geschichte.

Mit Deiner Hilfe werden wir Wege entdecken dieses Übel zu besiegen,

trotz unserer menschlichen Schwäche und

trotz unserer Selbstsucht.


[1] Die hier verwendeten Zahlen stammen aus der UNAIDS – Statistik vom 1. Dezember 2004

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