Der Kreuzweg Afrikas

Der Kreuzweg Afrikas

Sahaya G. Selvam, SDB

Übersetzt von Karlklaus Klemme
I

Jesus wird verurteilt

Jesus wird auch heute noch zu Unrecht zum Opfer
Als die Menschen herbeikamen und Steine nach dir warfen,
fragtest du sie unerschrocken,
„Ich habe euch soviel Gutes getan,
für welche meiner Taten verurteilt ihr mich.“
Das war, als die Zeit noch nicht gekommen war.
Jetzt gibst Du auf ohne ein Wort;
denn es ist Zeit.
Du stehst da wie irgendein anderer Mensch.
Verdammt zu einem grausamen Tod.
Ecce Homo!
Du wirst fälschlich der Blasphemie und des Verrats beschuldigt.
Du wirst zum Opfer schlechter Religion und unrechter Politik.
Religion und Staat, die Bewahrer des menschlichen Individuums
haben Dich jetzt zu ihrem Opfer gemacht.
Ecce Homo!
Herr,
ich gedenke der Opfer
schlechter Religionen und schlechter Politik in Afrika,
der politischen Gefangenen, jener Bedrohten, Gefolterten und Ermordeten,
der Tausenden von Stimmen, unterdrückt
durch die grausamen Hände der Politik,
der Gefangenen in angstzentrierten Religionen,
der vom Hexenwahn gehetzten,
der von religiösen Führern Missbrauchten,
jener Tausenden von Herzen, die es nicht wagen […]

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Aus den Tiefen der Malaria

„Aus den Tiefen der Malaria,
Herr, rufe ich zu dir:
Herr, höre meine Stimme!“
Ich liege wie gekreuzigt auf meinem Bett, Herr –
Eine Hand nach der achten Chininampulle greifend,
die andere immer noch schmerzend und müde.
Wende dein Ohr zu mir, achte auf mein lautes Flehen!
Es muss jetzt nach Mitternacht sein.
Ein Albtraum – ein Traum in drei Dimensionen hat mich aufgeschreckt.
Ich kann nicht mehr schlafen.
Ich warte auf die Dämmerung, mehr als die Wächter auf den Morgen.
Wenn ich an meinem zylindrischen Moskitonetz entlang schaue –
das sich gegen den durchs Fenster herein kriechenden Lichtstrahl abhebt –
dann habe ich das Gefühl in einem dunklen Schacht zu sein – in der Tiefe.
„Aus den Tiefen der Malaria rufe ich zu dir, Herr: Herr eile mir zu Hilfe!“
Gerade fühle ich mich viel besser, Herr.
Doch wenn das Fieber kommt, dann wird das anders.
Schüttelfrost und Zittern.
Hohes Fieber, das Gefühl in einem Ofen zu sitzen.
Dann schwitzen.
Wasser aus dem abrupt Erkalteten hervor quellend.
Die Malariaparasiten ergießen […]

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Weine nicht Bettie, weine doch nicht!

„Weine nicht Bettie[1], weine doch nicht!“
Was soll ich dir denn sagen?
Du sagst, in deinem Leben gibt es ein Vakuum.
Du hast deinen dad nie gekannt.
Du nennst ihn so liebevoll „dad“.
Du glaubst, dass er irgendwo existiert.
Wo?
Du weißt es noch nicht!
Du glaubst dass du es erfahren wirst.
Ich bewundere dein Hoffen.
Und deine „mum“?
Du kennst sie; doch sie ist dir keine Hilfe.
Du hieltest es für besser, auf eigenen Füßen zu stehen
Als dein Leben zu ruinieren, indem du bei deiner mum bleibst.
Sie ist drogenabhängig!
Dennoch liebst du sie.
Es gibt niemanden sonst, der dir „gehört“.
Ich bewundere Deine Liebe.
Du hast deinen Schulabschluss nicht geschafft.
Mit einem Vater der verschwunden ist
und einer Mutter, die selbst jemanden braucht, der nach ihr sieht,
war es nicht leicht für dich all das zu bekommen, was einem Kind zusteht.
Der Konkurrenzkampf dort in Nairobi ist groß,
doch du schaffst es zu überleben,
glücklich zu überleben.
Ich bewundere deinen Optimismus.
Du sprichst mit soviel Zuversicht,
so viel Reife.
Ich höre, dass du wie eine […]

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AIDS hat ein Gesicht

AIDS hat ein Gesicht
Sie betritt den Saal.
Sie ist jung, schön und flott.
Sie setzt sich und beginnt unvermittelt zu weinen.
Das Auditorium?
Priester, Ordensleute und Jugendarbeiter.
Es ist ein Seminar für Jugendarbeiter über HIV / AIDS.
Eine der Frauen aus dem Auditorium geht zu ihr und setzt sich neben sie.
Frauen wissen am besten, was Frauen brauchen – Unterstützung, Nähe, da sein.
Sie hört jetzt auf zu weinen.
Sie öffnet den Mund und die Worte brechen aus ihr heraus.
Unglaublich!
„Ich bin HIV – positiv.“
Das schockt, doch sie weiß, es ist die Wahrheit.
Die jungen Männer unter uns fühlen sich zu ihr hingezogen.
Nicht aus Liebe, aus Mitleid.
Sie weint wieder.
Dann fährt sie fort,
„Mein Freund hat mich angesteckt
als wir zusammen auf der High School waren.“
Jedes Jahr am ersten Dezember
Sind unsere Zeitungen voll mit Zahlen:[1]
Fast 40 Millionen leben mit HIV,
über 25 Millionen im Afrika südlich der Sahara,
seit 1981 sind 20 Millionen an AIDS gestorben.
Jedes Jahr infizieren sich weitere 5 Millionen
Und in Afrika leben 12 […]

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Matatu-Theologie

‘Matatu’ werden die öffentliche Busse in Kenia genannt. ‘Manyanga’ und ‘Mathree’ sind Bezeichnugen, die im Jargon benutzt werden.
Matatu Nr. 24 verlässt den Busbahnhof. Mein Freund und ich finden uns eingepfercht in der Mitte des ‘Manyanga’. Unsere religiös getriggerte Disziplin zwang uns, „rechtzeitig da zu sein“ und uns lieber in die Masse der Wartenden zu mischen als in der Schlange zu warten.
Der Matatu kann kaum 45 Menschen transportieren und ist nun voll gestopft mit 70 bis 75 Personen. Ich kann mich gar nicht ganz gerade machen. Ich bin zu groß für den ‘Mathree’. Ich verstehe nicht, wie manche meiner Freunde, die größer sind als ich, in diesen elenden Fahrzeugen reisen können. Mein Körper ist völlig aus dem Gleichgewicht. Während meine Füße versuchen, auf dem Boden Halt zu bekommen, wird mein Körper zusammen gequetscht. Selbst Pferde, die von den Wazungu (den Weißen) in Karen gezüchtet werden und Hunde, die in Lang’ata leben, werden […]

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